Freitag, 17. September 2010

Hetzjagd

"Lass das Heulen; steh schon auf;
mach die Schuhe zu, los, lauf!
Lauf schon weg, ich lass' dich geh'n!" –
Du rennst los und ich bleib steh'n.

Schmutz und Schlamm spritzt jäh' beiseit',
lachend mach ich mich bereit.
Du blickst zurück, beginnst zu schrein,
du suchst nach Hilf', doch bist allein.

Schnelle Schritte tragen dich,
deine Füß' verhaken sich,
strauchelst, fällst und liegst im Schmutz,
bist ach so panisch ohne Schutz.

Kriechst voran und raffst dich auf,
der Staub verweht in deinem Lauf.
Aufgeschlagen deine Knie,
schrei dir nach: "Nun los doch, fliehe!"

Während ich dich damit hetze,
dich noch psychisch so verletze,
wähne ich dich schon im Grab,
ziehe, ziele und drück ab!

© M. Reinhart 2010

Donnerstag, 16. September 2010

Gewohnter Wandel

Gelangweilt starrst du in dein Leben,
müde Augen schau'n zurück,
willst so gern nach neuem streben,
doch dein Schicksal birgt kein Glück.

Jeder Tag in seinem Wandel,
der kein Wandel längst mehr ist,
drängt dich noch zu bösem Handel,
weil du so verbittert bist.

Alles was in seinen Bahnen,
dich berührt ist so vertraut,
so bekannt, es lässt erahnen:
deine Seele schreit so laut.

Selbst die Tränen deiner Trauer
sind Gewohnheit ohne Licht,
bist umringt von einer Mauer,
die so stark, dass sie nicht bricht.

Grau in Grau verhallt das Schreien,
grau in grau ist alles Sein,
alles grau, lass dich befreien,
sieh' den schönen Sonnenschein!

Heb den Kopf und fühl dich frei,
das Leben wird nicht weiter geh'n,
was gewohnt sei einerlei,
du musst nur weiter aufrecht steh'n!

Du kannst es schaffen, glaube mir!
Und wenn du willst, dann helf ich dir.

© M. Reinhart 2010

Dienstag, 14. September 2010

Nur du

Welch' merkwürdig Geschick,
mir mehr als weh zu mut',
du brachst mir das Genick,
ich trank von deinem Blut.

Ich rede mit dir jetzt,
was mir mit dir geschieht,
hab' Angst, dass ich verletzt,
die Freundschaft von uns flieht.

Denn hab' ich nicht gesagt,
du denkst es geht um "sie",
zu schüchtern, nur verzagt,
und doch: ich lügte nie!

Und nur ein Punkt, den du nicht weißt,
ich hoffe, dass es bliebe,
es gibt kein "sie", es gibt nur dich,
nur du bist's, die ich liebe!

© M. Reinhart 2010

Mein einzig‘ Schutz

Eine Angst besiegt die Sinne,
schlägt Gedanken in die Flucht,
und mein Herz hält so oft inne,
Harmonie ist meine Sucht.

Mein Schwert ist schwarze Farbe,
mein Schild ist das Papier,
das Wams verdeckt die Narbe –
meine Angst, dass ich verlier.

Denn mein Wams ist solche Zeilen,
ist beschlagen mit dem Reim,
möchte' im Schlachtfeld nicht verweilen,
möchte fort, doch kann nicht Heim.

© M. Reinhart 2010

Mittwoch, 8. September 2010

Liebesmord

In meinem Kopf seh' ich dich weinen,
seh' dich schreien, glaub mir keinen
Augenblick hab ich gedacht,
dass ich dich je ausgelacht!

In meinem Kopf form' ich die Bilder,
form' die Sätze, male Schilder,
die ich dir vor Augen führe,
und die Trauer weiter schüre.

In meinem Kopf bist du gezwungen
durch mein' Wort und Tat gesprungen,
bist zerschellt auf Pflastersteinen,
denn ich brachte dich zum weinen.

In meinem Kopf entflieht das Blut
deinem Körper, gibt mir Mut,
den nehm' ich dann ganz zusammen,
erstick in mir des Zweifels Flammen,

und was sonst noch übrig war,
geh zu dir, komm dir ganz nah'
und während dir das Leben wich,
sag ich's dir: "ich liebte dich!"

© M. Reinhart 2010

Donnerstag, 2. September 2010

Die letzte Farbe

Die Rosen in den Mauernischen
längst das Blatt in Trauer ließen,
welche nun in Grau verfließen,
werden nie in Rot mehr sprießen.

Sonnenblumens Kopf so schwer,
ich wollte, doch ich hoff' nicht mehr,
das leuchtend' Gelb, es tropft so leer,
nur grau das Haupt und bricht so sehr.

Auch das Blau der Veilchenblüte,
welches sich ums Bleichen mühte,
nimmt es sich der gleichen Güte,
– Totengrau – das sich verfrühte.

Alles Bunte geht ins Grabe,
geht zu Grunde, keine Frage,
und es bleibt in meiner Lage:
Du, als meine letzte Farbe!

© M. Reinhart 2010