Sonntag, 20. November 2011

Schluchtenschlund

Der Boden bricht und dunkel klafft,
ein Schluchtenschlund der Leben rafft.
Er reißt und zerrt, verspeist, ernährt
sich von dem Leid, das ihn nicht schert.

Ihr Boden brach, sie stieß man hin,
der Abgrund fraß den Lebenssinn.
Sie stürzte ab, knapp in ihr Grab,
dem Kummer schwer zugrunde lag.

So war es nun für lange Zeit,
dass ihr das Glück der Zweisamkeit
erhalten ward, doch nun der Sarg
hält Einsamkeit im Goldbeschlag.

Längst fertig um sie in die Erd‘
zu ziehen, um der Freude Wert,
Verleugnung ‘schwert, die Welt verkehrt
und so der Liebeskummer zehrt.

Sie fiel hinab in jenen Spalt
und Dunkelheit so grausam kalt
ergriff sie hier, verlangt von ihr,
dass sie mit Trauer stillt die Gier.

Im Fallen streckt sie ihre Hand
ein letztes Mal in Richtung Rand
der Schlucht, erhofft, das sie ihn greift,
doch nur mit Fingerspitzen streift.

Kein Hoffen bleibt in ihr besteh’n.
Sie sieht den Tod vorüber geh’n.
Die Augen schließt, der Glaub‘ verließ
sie, da man sie so fallen ließ.

Doch ach es greift sie um den Arm,
es hält sie fest und ihr wird warm,
ein Mensch, der ihr sehr nahe steht
und dem es um ihr Leben geht.

Er hält das Unglück von ihr fern,
hat Mitleid, hat sie einfach gern
und sie verliebt sich mehr und mehr,
bis jener Mensch ward ihr Begehr.

Er wollte sie vor’m Fall bewahr’n,
nun hat er ihre Lieb‘ erfahr‘n,
doch unter seinem Körper brach
und gab der Felsen langsam nach.
Worauf er zögernd greift von fest
erst lockert und dann gänzlich lässt…

© M. Reinhart 2011

Samstag, 19. November 2011

Was soll ich tun?

Soll ich bleiben oder gehen,
soll ich schweigen oder reden,
Blicke meiden oder sehen,
mit dir leiden oder drüber stehen?

© M. Reinhart 2011

Freitag, 11. November 2011

Rauschgedanke

Sei es jetzt da Wahrheit sage,
Schwindel, dumpfe Fantasie,
Rausch des Weines ganz Gehabe?
Nein, das änderte es nie.

Wichtig, wichtiger, Geliebte,
was weis ich was davon sei,
dennoch sei es nicht nur Triebe,
sei die Lust mal Einerlei.

Wo Worte weiser Wesen wissen,
bann‘n beruhigend beider Band,
doch die Dreistigkeit de facto
hält hier heimlich ihre Hand.

Ein bisschen Liebe ist dabei,
das macht der Alkohol verstehen.
Glaube ich es mir so nicht,
wird es die Sehnsucht mir gestehen.

Aber du liebst andren Manne,
dem du Treue längst geschworen,
und ein jedes Hoffen wäre
weit in dir schon längst verloren.

© M. Reinhart 2011

Unbestimmte Ängste

Unbestimmte Ängste zehren mir an meinen Nerven,
wie als ob die Nacht aus Bahnen wollt entgleisen und mich werfen
durch das klare splitternd‘ Eis, das sich dem scharfen Wind nicht beugte,
dass von mir nichts bliebe, was von meinen Träumen zeugte.

© M. Reinhart 2011

Donnerstag, 10. November 2011

Gedankenbann der Nacht

Grade bin ich fort gegangen,
Grade küsste ich dich sacht,
Grade hast‘ mir nachgerufen:
„Denke nicht zu viel heut‘ Nacht!“.

Und der Mond schaut kalt und weise,
doch mit funkelnd, strafend Blick,
denn er weiß ich liege wach
mit deinem Atem im Genick.

Nur gedanklich, so versteht sich,
was mir Gänsehaut beschert,
der einst wirklich mich berührte,
wie ein Feuer mich verzehrt.

Lodernd flammt die Ziffer;
Warum läuft die Uhr so schnell?
Schon ist’s eins und grimmig schaut
ein weißer Mond, er glänzt so hell,

dass die Augen mir schon schmerzen,
doch sie fallen mir nicht zu,
wenn die Bilderreihen leben,
gibt mein Geist mir keine Ruh‘.

Zwei vorbei, der Morgen wird
mir strafen, dass ich wachte.
Keine Zeit für mich zu schlafen,
deine Stimme weckt mich sachte.

Als der Mond mir brannt‘ die Augen,
ward mein Ohr vielmehr gespitzt
und es flüstern fließend Verse,
wenn dein Biss im Nacken sitzt.

Als die Zeit mir nahm das Hören,
da die Uhr schlug „drei“ so laut,
spür‘ ich dennoch deine Wärme
und die Kratzer auf der Haut.

So der Mond geht lächelnd unter,
wie ich dies mit Lust gedacht,
denn missfällt es mir mit nichten
und hab doch umsonst gewacht…

© M. Reinhart 2011

Dienstag, 8. November 2011

Weiße Tauben in der Nacht

Im Sternenglanz der Straßenlichter tausendfach zum glüh‘n erhitzt,
versuche ich die deinen Lippen, die ein anderers Besitz,
voller Vorsicht zart zu streifen in des Neons Silberlicht,
doch ein Stahl im Schwarz verborgen wie der Dolch einst Caesar sticht.

Feuermond in Tropfen heißen Bluts getaucht,
die wir küssen in den Morgen, der den Wind zum Atmen braucht,
ist die Flamme in den Ästen, die vom Baum das Leben nahm,
und ein Blatt das fiel verborgen als der letzte Funken kam.

Doch noch stehen wir, die Zeit rennt hastig und die Welt schläft trunken ein,
wo kein Stein, der Glas zerschlug, ganz für den Raub im Kerzenschein
je wird bestraft, denn ward geworfen, Schuld trifft Opfer ganz allein,
wer sollt wissen, dass ein Kiesel kann das Bleikristall entzwei‘n?

Oh wie tobend tausend Tauben diese tristen Terzen trällern,
sei gegeben, dass sie glauben, dass sie sängen,
Mensch, so lass sie glauben, und verdrängen,
dass sie sterben und nie leben, bis sie fliegen in das Licht
und die Hochzeitsglocke ruft, doch tote Tauben fliegen nicht…

© M. Reinhart 2011

Mittwoch, 2. November 2011

Einsame Nächte

Sei das Kissen auch mit federweichem Ruhesinn gesegnet.
Sich die Decke schmiege nur in wohlig zarten Bahnen an,
so hat das Nachtgelage alle Herrlichkeit verloren,
gar ein Nichts den sanften Körper dein ersetzen kann.

Denn alleine liegen, sich in Schlafe wiegen fällt so schwer,
wenn die Wärme fehlt, man Schafe zählt,
doch zärtlich‘ Träume Wachheit halten,
klamme Wind‘ den Körper kalten und so bleiben meine Nächte leer.

© M. Reinhart 2011