Mittwoch, 16. September 2009

Die Nacht

Trägt das Dunkel seinen Schatten,
liegt der lichte Tag versteckt,
beginnt der Lärm dann zu ermatten,
ist die Nacht einfach perfekt.

Selbst des Regens leichter Schauer,
der die stille Nacht besucht,
ist ein Segen, keine Trauer,
wie ein Baum mit seiner Frucht.

Rauscht der Wind mit seinen Schwingen,
wie ein Vogel frei und sacht,
wird das Leben erst beginnen,
und das Herz vor Freude lacht.

Sie ist still, beruhigt, belebt,
spricht kein Wort, doch ist erwacht,
hat die Fäden längst verwebt,
schön ist sie die klare Nacht.

© M. Reinhart 2009

Donnerstag, 3. September 2009

Schattenkind

Sieh dir auf dem alten Bilde,
an der Wand das Mädchen an,
führte Schicksal das im Schilde,
was man heute sehen kann?

Früher lachte sie so gerne,
hatte Farbe im Gesicht,
ihre Augen waren Sterne,
strahlten blau im Sonnenlicht.

Wie ihr Haar im Winde wehte
schimmernd, glänzend – eine Pracht,
wie sie sich im Tanze drehte,
und ihr Herz voll Freude lacht.

Warum ist die Zeit gegangen,
woher kam der raue Wind,
der das Mädchen ließ sich fangen,
von dem einst so glücklich' Kind?

Ließ sperren sich in Dunkelheit,
wo voll Klage sie sich hielt,
war nie geplagt von Einsamkeit,
doch allein sie seither spielt.

Nun was spielt dies' kleine Mädchen,
es spielt Folterknecht und Tod,
dreht an Uhrwerks kleinen Rädchen,
spielt mit Fährmann Charons Boot.

Hält die Fenster stets geschlossen,
Sonnenlicht kommt nicht herein,
das hat sie sich so versprochen,
bleibt in Dunkelheit allein.

Und nur jene geisterhaften,
die im Mund kein Obolus,
somit nicht zu kreuzen schafften,
Acheron, den Totenfluss,

schwirr'n als Schatten um ihr Leben,
bringen Schmerz und Depression,
ihr will nichts mehr Freude geben,
und ihr Haar ergraut auch schon.

Der ihrer Augen einst'ger Glanz,
matt und fahl – so hart wie Eis,
da nur mit Dämmerung im Tanz,
wurd' die Haut so kalt und weiß.

Einst so warm und schön gewesen,
nun wie eines Toten Kleid,
scheint die Haut schon zu verwesen,
schimmert bleich in Dunkelheit.

Wie ein dünner Fetzen Seide,
spannt auf knöchernem Skelett,

hat kein Fleisch an ihrem Leibe,
liegt wie tot auf ihrem Bett.

Tag für Tag liegt sie im sterben,
atmet schwer im letzten Zug,
ihre Welt – ein Haufen Scherben,
weil sie selber sie zerschlug.

In der Nacht hallt ihre Klage,
weit heraus, durch Mark und Bein,
stellt sich keiner diese Frage:
Was mag widerfahren sein?

Damals als der Sturm begonnen,
sich nicht festzuhalten schafft'
hat sie sich das Licht genommen –
damit sich die eigne Kraft.

Wer hat sie nicht festgehalten?
Wem vertraute sie so blind?
Hat sie sich das Herz gespalten?
Traum verweht vom harten Wind?

Das Bild zeigt lang vergangen Zeit,
gestern fiel es von der Wand,
vom Rahmen hat es sich befreit,
der es an die Mauer bannt'.

Alle Farben sind verblichen,
denn die Sonne schien darauf,
ihre Zweifel nie gewichen,
ja, das Schicksal gab den Lauf.

Bitte Kind tritt aus dem Schatten,
in das Licht der bunten Welt,
wie viel Spaß wir alle hatten,
unterm weiten Himmelszelt.

Irgendwann wird sie's vollbringen,
wie die Knospe die erblüht,
wie ein Vogel wird sie singen,
doch der Winter ist verfrüht.

Warte auf den schönen Morgen,
warte auf den Sonnenschein,
wart' es ab auch deine Sorgen,
werden dann vergessen sein.

Geh den Weg den du gekommen,
komm zurück zu deinem Ich,
siehst du ihn auch nur verschwommen,
ruf mich und ich führe dich.

Werd' den Weg mit dir bestreiten,
dass du sicher kommst nach Haus,
werd' dich bis zuletzt begleiten,
hole dich aus allem raus.

Aus der Kälte in die Wärme,
aus dem Schatten in das Licht,
wirst dir scheinen lassen gerne,
Sonnenstrahlen ins Gesicht.

Sterne werden wieder funkeln,
wieder dieses klare Blau,
kehr den Rücken zu dem Dunkeln,
aus den Haaren flieht das Grau.

Sieh' den schönen grünen Garten
trete aus dem rotten Turm,
lache in den ach so harten,
rauen, kalten, fiesen Sturm.

Dass die Seele wieder lebe,
und dein Geist wieder erwacht
fühl' dein Herz zeigt dir die Wege,
aus der Dunkelheit der Nacht!

© M. Reinhart 2009